Moin zusammen,

ich möchte Euch von einem etwas ungewöhnlichen Projekt berichten, welches ich die letzten drei Wochen vorangetrieben und am Dienstag beendet habe. Leider durfte ich bis dahin nichts posten, da TOP SECRET!

Mitte August rief Radio FFN bei Oli Arend an, und fragte nach, ob der RMV Göttingen eine Rakete für eine Werbeveranstaltung bauen könnte. Nach reiflicher Überlegung (4,2 Sekunden) kam unsere Zusage und dann die Nachfrage nach konkreten Daten. Bedingungen von FFN waren:

- die Rakete soll lang sein (mindestens 200 cm)
- sie sollte einen größeren Durchmesser haben (um die 20 cm)
- der Flug sollte spektakulär, aber nicht hoch sein

Präzise Aussagen, mit dnen ich mich an die Arbeit machte. Rocksim, WRasp Und VCP wurden einen Tag lang bemüht und der Computer rödelte eine Simulation nach der anderen. Schnell wurde klar, das ich mit herkömmlichen Raketenmaterialien (Phenolic, Pappe etc.) hier nichts reißen konnte.

Allerdings hatte Achim ja sein Projekt Crazy Daughter vorgestellt, und so hatte ich die rettende Idee: die Rakete würde aus Styropor gefertigt und dan mit einer Lage 140g Glas umhüllt werden. Damit sollte sich sich das Gewicht im Bereich von 3-4 kg halten lassen.
Gesagt, getan. Die nächsten drei Tage schnitt ich über 70 Scheiben Styropor, und nach anfänglich etwas kubistischen Resultaten formte sich langsam ein Rumpf.
Die Flossen bestehen aus 6mm Pappelsperrholz (TTW), welches ebenfalls verglast wurde. Die Spitze stellte ein eigenes Problem dar. Ogiv? Konisch? Rund? Ich entschied mich für eine konische Spitze, und schnitt diese mit einem Heißdraht asu einem weiteren Styroporblock. Fazit: 50cm lange konische Spitze aus Styropor ist die Grenze. Mit etwas nachschleifen in der Bohrmaschine (Schneegestöber!) sah das Ergebnis dann auch gut aus.

Der Antrieb war ein I-Motor, Bergung erfolgte elektronisch mit dem PerfectFlite 9200 und einem Hauptfallschirm. Die erwartete Flughöhe betrug 230 m bei einem gewicht von 4,2 kg.

Auf dem Bild sieht man die fertig beklebte Rakete (Anmerkung: Curt - Die rote Rakete ist ein Bier/Limo/Guarana-Mixgetränk, schmeckt ganz gut, man wird nur nach der dritten Dose echt hibbleig!) sowie den stolzen, aber übernächtigten Papa.



Daten:
Länge: 250 cm
DM: 20 cm
Gewicht: 4,2 kg
Motor: I-Klasse (211 N / 21,1 kp für 2 Sekunden)

Starttag.

War das Wetter bisher immer gut gewesen, so kam jetzt wieder Freund Murphy auf den Plan: tiefhängende Wolken, Nieselregen, Windböen.

In Hildesheim auf dem Flugplatz angekommen sah es so aus, als würde der Start nach dem ganzen Streß der letzten Wochen doch noch ins Wasser fallen.
Aus Braunschweig hatten wir eine Flugfreigabe bis 350m bekommen, mit einem Bergungsradius von 250m um die Startstelle herum. Skeptisch packte ich die Rakete erstmal aus dem Auto, um ein paar Pressefotos machen zu lassen.
Die Reporter und Fotographen waren begeistert, und fragten mir Löcher in den Bauch - für viele war es das erste Mal, daß sie in Kontakt mit einer echten Rakete kamen. Die Brauereibesitzer waren ebenfalls begeistert, wie man auf dem Foto gut erkennt.



Allmählich wurde das Wetter doch besser, die Basis lag inzwischen bei 300m, und vom Flugleiter kam das OK, die Startstelle auf dem Flugfeld aufzusuchen und aufzubauen. Ein Fotograf kam mit (und machte dann später auch die schönen Startfotos). Da gerade gebaut wurde, hatten wir Windschatten (obwohl der Wind nur noch schwach blies) durch ein paar Erdhügel, wo ich auch das Startgerät positionierte.
Den Streß ließ ich mir nicht anmerken, obwohl ein paar zusätzliche Reporter mir beim Aufbauen allerhand Fragen stellten ("Darf jeder so was? - Wo bekommt man Schwarzpulver her? - Wie lange machen Sie das schon?").

Ich war rechtzeitig zum Startermin um 11.45 Uhr fertig, und machte den Höhenmesser scharf.



Nach Anklemmen des Magnalite-Zünders und Durchgangsprüfung signalisierte ich dem Tower Startbereitschaft, und begann nach positiver Rückmeldung mit einem 10-Sekunden Countdown.

Boah!

Ich lasse die folgenden Bilder mal für sich sprechen...






Ein I-Motor aus 30m Entfernung ist laut! Der Fotograf war hin und weg...

Sofort nach Verlassen des Startgerüsts stieg die Rakete kerzengerade nach oben - und ich hatte eine Sorge weniger (Bogenlampe fliegen).

Auch die Zuschauer im Hangar, die ich aus Sicherheitsgründen angewiesen hatte, dort zu bleiben, und nicht in einer Gruppe zusammen zu stehen, waren begeistert. Ich bekam zwar direkt nichts mit, aber Ingar Geilke (FFN Event-/Promokoordination) hat es mir später berichtet .
Damit man mal sieht, wie es für die Zuschauer im Hangar aussah, hier noch ein Bild, man sieht gut den geraden Aufstieg der Rakete.

Ich hätte mir für einen bis jetzt perfekten Flug ein besseres Ende gewünscht, aber Ihr ahnt es sicher schon - das Leben ist kein Wunschkonzert...

Am Gipfelpunkt hörte ich die Ausstoßladung zünden, aber es erfolgte keine Trennung. CURT schlug 120m von der Startstelle entfernt auf und zerstörte sich dabei völlig



Wie man sieht, das Lächeln ist etwas gequält...da aber niemand von den Zuschauern im Hangar wußte, das ein Fallschirm hätte kommen sollen, waren diese auch von der harten Landung begeistert.
Alle wichtigen Teile der Rakete haben den Absturz überlebt: Höhenmesser (der fröhlich eine Höhe von
731 Fuß rauspiepste), RMS und Fallschirm waren unversehrt, ebenso Schockleine und alle Verankerungsteile.

Warum der Fallschirm nicht ausgeworfen wurde, ist mir ehrlich gesagt ein kleines Rätsel, die Fehlersuche erbrachte keine Erkenntnisse.
Die Ausstoßladung hatte ich am Wochenende mit der Formel von der ARGOS-Seite berechnet und zweimal mit Erfolg im Hintergarten getestet. Am Startag aheb ich die Menge noch einmal um 10% erhöht, da ich aufgrund der Feuchtigkeit ein Zusammenkleben irgendwelcher Teile verhindern wollte. Der Höhenmesser hat ausgelöst, die Ladung hatte gezündet. Die beiden Rumpfsegmente waren leichtgängig zusammensteckbar.

Fazit: Die Leute fanden es klasse, Sicherheit war gewährleistet, eine große Rakete kann auch leicht sein, und manchmal gibt es kein Entrinnen von Murphy.

Im Nachhinein würde ich es wieder machen. Ich hätte aber gerne mehr Zeit als drei Wochen, und ich würde sie wahrscheinlich aus fertigen Pappröhren bauen (LOC Precision o.ä.) und einfach einen stärkeren Motor nehmen. Man kann sich dann ganz aufs Bauen konzentrieren und muß nicht alle Teile selber fertigen lernen (vieles zum ersten Mal im Leben!!).

Zeitungsartikel gibt es auch, die sind aber noch nicht bei mir eingetroffen. Ich werd's hier posten, sobald fertig.

Tja, what can I say...die rote Rakete ist geflogen!

Gruß,

Tom aus Gö

Sehr schön Tom!

Schade, daß CURT den Flug nicht überlebte.
Aber so ein Aufschlag ist ja auch immer wieder ein Spektakel.
Auf dem Bild, das CURT auf der Rampe zeigt, sieht er etwas schiefgewachsen aus, oder täuscht das nur?

Kai

Zitat:

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Original geschrieben von Tom Engelhardt
Tja, what can I say...die rote Rakete ist geflogen!

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... und den Bergungsradius von 250 m hast Du auch eingehalten!

Trags mit Fassung, dieser Flug sollte halt was einzigartiges bleiben (hat der große Gasförmige da oben beschlossen).

Schade das keine erkennbare Fehlequelle zu eruieren ist. Hätte vielleicht manchen zukünftigen Raketen ihr röhriges Dasein retten können.


Was mir grade auffällt:

Raketen als Marketinginstrument! Hut ab, Tom. Vielleicht bist Du ja jetzt Pionier zu nennen. Frage ans Plenum: "Hats das schon mal gegeben?"

Das Publikum war mit Sicherheit begeistert. Feuer, Rauch, Lärm und Bewegung ... immer ein Garant für tiefe Eindrücke.


Groetjes
Boris

Man gut, dass ich die ganze Aktion nur koordinieren und nicht auch noch die Rakete bauen musste. Aber vier Hände bauen besser als zwei. Nächstes Mal bin ich dabei ;-)

Vielen Dank an Thomas, der damit nicht nur dem roten Curt sondern auch uns Raketenfliegern zu einem großen Stück wohl positiver Publicity verholfen hat!

Oliver

@ Bobito und Alle,

die Idee unseren Sport mal auch anderen Leuten
- wenn möglich auch werbewirksam - vorzuführen
habe ich auch schon länger.

Es wäre doch mal interessant in der tiefsten Provinz
Niederrhein in Zusammenarbeit mit Segelfliegern einen schönen
Flugtag zu organisieren. Ich habe sehr gute Verbindungen
zum "Kernwasser-Wunderland-Familienpark" :
siehe unten, die haben ein großes Fußballfeld mit angrenzenden
Tennisplätzen, LP also kein Problem, ebenso wie großer Famileintag mit evtl. Unterkunft etc. und um die Ecke ein großer Segelflugplatz des Aero-Clubs Kleve.
Da die Niederländer den Famileinpark betreiben, könnte man
auch deren Landsleute einladen und Starten lassen.
Das ist dann zwar kein SMRT aber ganz etwas Neues:
NRRT ( Niederrheinischer Raketenmodellbau Tag ;-))) )

Das könnte man doch vielleicht mal für 2003 in´s Auge
fassen.

Interesse ?
VG
Rainer

Entschuldigung, mir ist das Bild zu groß geraten ;-(

Folgende Datei wurde angehängt:

@Kai:

Jetzt wo Du es sagst, fällt es mir auch auf. Da ich das allerdings in keinem anderen Bild sehe, und auch vorher beim Bauen und Betrachten im Werkraum nicht wahrgenommen habe, nehme ich mal an, daß es eine optische Täuschung ist.

@Bobito: In DL ist es meines Wissens noch nicht gemacht worde, wohl aber in den USA. Dort lassen sich Raketenbauer auch manchmal von Firmen eine große Rakete sponsorn, z.B. die Joe Boxer Rakete
, die auf 20km Höhe geflogen wurde.

FFN hat mir die Rakete und alles drumherum gesponsort (Rakete 180 Euro incl. Motor, Anfahrt 30 Euro, Genehmigungen 26 Euro) plus eine Kiste Roter CURT....ich kann nicht meckern.
Nur - die Rakete hätte ich schon gerne noch ein- oder zweimal geflogen .

Gruß,

Tom aus Gö